Emir KusturicaDeutschland, Frankreich, Ungarn 1995 / 169 min
Eine simple, vielleicht gerade deshalb so empörende Metapher: Die Geschichte wird 1941, mit der Überwindung der Nazibesatzung, in einen Belgrader Keller gesperrt, wo sie weiterbrodelt, während oben ein Apparatschik die Scharade nationaler Gemeinschaft inszeniert. Doch unweigerlich wird die Geschichte nach oben gespült: Jugoslawien ist dreigeteilt, deutsche Panzer rollen im Gewand der UNO. In der Verlängerung dieser grotesken Revue über die Grenzen der Leinwand hinaus wurde 1995 der Filmemacher selbst vielfach proserbischer Propaganda geziehen. „Nach Underground warf man mir vor, ich wäre auf der Seite von Milosevic, was ich natürlich nicht bin. Statt dessen wollte ich mit meinem Film zeigen, wie sehr ich gegen eine weltweite Aufspaltung zwischen Gut und Böse in diesem serbischen, bosnischen und kroatischen Konflikt bin (...) Mir liegt vor allem daran, dem Publikum weltweit zu zeigen, was für eine Mentalität dort zu finden ist. Dieses aufbrausende, unglaublich kraftvolle Temperament der Menschen dort ist ja die Quelle für den ganzen Wahnsinn, für Krieg und Haß. Und obendrein sind diese Menschen über Jahrzehnte hinweg manipuliert worden, von der einem oder anderen Seite. Mein Ziel war es zu zeigen, daß Manipulation in der ganzen Welt tagtäglich passiert. Die Informationsvergabe der Medien bestimmt unseren Wissenstand. (...) Ich bin davon überzeugt, daß Geschichte immer irgendwie inszeniert wurde und auch heute noch wird. Viel geschickter inszeniert übrigens als irgendein Film. Politiker sind inzwischen die besseren Regisseure. Man könnte es so umschreiben: Fiktion ist das, was wir leben und Realität ist das, was wir nicht leben.“ (Emir Kusturica, 1999) [Michael Loebenstein]