Pascale FerranBelgien, Frankreich 2006 / 161 min
Kurz nachdem die junge Constance Reid den Leutnant Clifford Chatterley heiratet, wird dieser in den Ersten Weltkrieg eingezogen. Clifford kehrt als gebrochener Mann von der Front zurück, für den Rest seines Lebens wird er auf den Rollstuhl angewiesen sein. Das junge Paar zieht auf eines der Güter der Familie Chatterley. Constance fühlt sich zunehmend einsam und zurückgelassen in einem ländlichen Milieu, das sie langweilt. Da weckt ausgerechnet Olivier Parkin, der verschlossene Aufseher des Anwesens, in ihr eine nie gelebte Sehnsucht.
Die Verfilmung des Romans von D. H. Lawrence hätte sich im Streben nach Skandal und Transgression erschöpfen können. Nichts davon ist eingetreten. Im Gegenteil, Lady Chatterley ist so zurückhaltend, so zart und dabei so genau, dass man, je länger man Chatterley und Parkin zusieht, umso mehr glaubt, den Geheimnissen der Liebe auf die Spur zu kommen. Ferran bringt eine große Sensibilität für die Körper der Figuren ein, für Berührungen und Blicke, für Schweißperlen, gerötete Wangen, für die groben Stoffe auf Parkins, für die weich fallenden auf Constances Haut. Ebenso groß ist Ferrans Sensibilität für die Natur, in der die Figuren agieren: Wenn Blätter ins Bild rücken, Moos, der vom Laub bedeckte Boden des Waldes, das Wasser im Bach oder die hochstehenden Grashalme, dann wird die Natur weder im Sinne des Plots funktionalisiert noch metaphorisch ausgebeutet. Vielmehr geht es um das Glück der Konkretion. Mit dieser Haltung nähert sich Ferran auch den Sexszenen.
Im Gespräch mit den "Cahiers du cinéma" sagt die Regisseurin, es störe sie, wenn Sexszenen gefilmt seien, als hätten sie mit dem Rest des Filmes nichts zu tun. In Lady Chatterley gehören sie zur «éducation sentimentale» der Protagonistin.
Cristina Nord
Bei Lawrence kann man beobachten, dass es in Constances Beziehung zur Natur keinen Widerspruch gibt: Im Herbst ist es die Melancholie, im Winter der Tod und die Depression, im Frühjahr erwacht alles zu neuem Leben. Die Natur ist ursprünglich und rein, der Kultur, der industrialisierten Welt, entgegengesetzt. Damit bin ich nicht einverstanden. Es gibt keine ursprüngliche Natur, das ist eine Ideologie, die gefährlich werden kann. Ich liebe die Natur, aber als eine Form von Kultur.
Pascale Ferran