Luc MoulletFrankreich 2009 / 90 min
Luc Moullet reist in La Terre de la folie nach Alpes du Sud, eine Region im Südosten Frankreichs, in der sich offenbar Fälle von psychiatrischen Störungen besonders häufen, die Suizide, aber auch Mord und Totschlag und andere grausame Verbrechen begünstigen. Moullet geht diesen Fällen nach: Er reist von Ortschaft zu Ortschaft, wo er jeweils eine Person über die sich dort in den letzten hundert Jahren ereigneten Kriminalfälle berichten lässt. Moullet erforscht das erhöhte Vorkommen von Gewaltverbrechen und Psychosen in seiner Heimatregion, den Meeralpen. Es ist eine dünn besiedelte, eher ärmliche und bäuerliche Region, vom Tourismus profitiert man hier kaum. Und wer als Fremder herkommt, dem wird es nicht leicht gemacht. Schilddrüsenerkrankungen kamen in dieser Gegend in der Vergangenheit häufig vor, weil es an Jod mangelte; und da die Schilddrüse den Hormon- und damit auch den Seelenhaushalt reguliert, wie Moullet in seiner halb skurrilen, halb ernsthaft ethnologischen Untersuchung darlegt, resultiert daraus eine erhöhte Neigung zu psychischen Störungen. Hinzu kommt, dass Missgunst, Mangel an Kommunikation und patriarchalische Strukturen als Erbe bäuerlicher Lebensbedingungen fortbestehen: auch dies ein Nährboden für Psychosen.
In einer der ersten Szenen sagt Moullet in die Kamera, dass er ein Einzelgänger sei und es nicht lange mit mehr als zwei Menschen aushalte. Am liebsten ziehe er sich auf den Dachboden oder in den Keller zurück, um sich mit seiner Sammlung von Filmspulen zu befassen. Er hat Glück: Sein Wahnsinn hat in der Cinephilie einen milden Ausdruck gefunden.
Cristina Nord