Am Tag nach dem 7. Oktober versuchen der Jazzmusiker Y. (Ariel Bronz) und seine Frau Yasmin (Efrat Dor), eine Tänzerin, in einem zerrissenen Land Halt zu finden. Ihre Kunst wird zur Ware, ihr Einsatz zur Geste des Trosts. Sie treten auf, wo man sie lässt, verkaufen, was sie geben können – Klang, Bewegung, Nähe. Schließlich erhält Y. einen außergewöhnlichen Auftrag: Er soll die neue Nationalhymne Israels komponieren. Eine Aufgabe, die mehr verlangt als musikalisches Können – sie fordert Haltung inmitten eines kollektiven Traumas.
★★★★ „Eine bissige Satire auf die herrschenden Klassen Israels, die vor politischer Brisanz strotzt.“The Guardian
„Stimmen wie Lapids kein Gehör zu schenken, hiesse, den Krieg in Gaza von den Erfahrungen vor Ort zu entkoppeln und zur Grundsatzdiskussion zu abstrahieren.“ Der Spiegel
LOVE ME TENDER
Die Selbstbestimmung im Beruf, im Sex, im Familienleben: Für Clémence steht von einem Tag auf den anderen alles auf dem Spiel, als sie ihrem Ex-Mann erzählt, dass sie sich mit Frauen trifft. Plötzlich beansprucht er das alleinige Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn – Paul ist acht Jahre alt, als er seiner Mutter entzogen wird. In autofiktionalen Romanen verarbeitet Clémence den Verlust des Kindes, ihre brüchige und uneindeutige Rolle als Mutter, aber auch das Erleben neuer Sexualität. Mit Feingefühl inszeniert Cazenave Cambet, die mit LOVE ME TENDER den gleichnamigen Bestsellerroman von Constance Debré adaptiert, die Seelenzustände einer Frau, deren Lebensgewissheiten zusammenfallen. (Dunja Bialas)
DEAF
Ángela und Héctor sind ein glückliches Paar, und Ángelas Gehörlosigkeit trübt die traute Zweisamkeit dabei keineswegs. Als Ángela ein Kind bekommt, wird es allerdings komplizierter. Denn die Erleichterung darüber, dass mit dem Gehör der Tochter „alles in Ordnung ist“, weicht bei Ángela schnell dem Gefühl, aus der Welt der Hörenden ausgeschlossen zu werden. Regisseurin Eva Libertad und ihre Schwester, die gehörlose Hauptdarstellerin Miriam Garlo, vermitteln in dem packenden Beziehungsdrama die vielen Schwierigkeiten einer Frau ohne Gehör mit einer oft gedankenlosen Umwelt im emotional erfahrbaren Detail. Doch Rückzug ist keine Option: Kommunikation bleibt der Schlüssel zum Erfolg. (Lars Penning)
CHRISTY
Aus einer Pflegefamilie kommt der verschlossene Christy zu seinem älteren Halbbruder Shane, der mit Frau und Kind in einem Arbeiterviertel im irischen Cork lebt; es soll eine Übergangslösung sein. Doch die einst vertraute Umgebung konfrontiert den mittlerweile 17- Jährigen nicht nur mit diffusen Erinnerungen an seine schwierige Kindheit bei einer drogensüchtigen Mutter. So manches Wiedersehen und neue Begegnungen lassen in ihm auch das Gefühl von Zugehörigkeit und eine zarte Zuversicht wachsen. Wider den Miserabilismus erzählt Canty in seinem Debütfilm von einer Gemeinschaft, die – prekärer Lebensbedingungen und Marginalisierung zum Trotz – Sorge füreinander trägt. (Alexandra Seitz)
IT WAS JUST AN ACCIDENT / EIN EINFACHER UNFALL
Berufsverbot, Hausarrest, Gefängnisstrafe – die iranischen Machthaber haben schon zu drastischen Mitteln gegriffen, um Jafar Panahi von der Arbeit abzuhalten. Filme hat der Regisseur trotzdem immer gemacht – dann halt eben ohne Genehmigung! YEK TASADOF-E SADEH ist keine Ausnahme. Und er ist so offen politisch und lautstark regimekritisch wie keines seiner Werke zuvor: Bei einer zufälligen Begegnung in einer Autowerkstatt glaubt ein Familienvater, jenen Mann zu erkennen, der ihn einst im Gefängnis folterte – und kidnappt ihn. Über diese Verwicklungen entsteht, voller Wut und Verzweiflung der Opfer, eine aufgewühlte Anklage gegen das System und seine Vollstrecker. (Sascha Rettig)
SENTIMENTAL VALUE
Gustav Borg ist ein so berühmter wie selbstsüchtiger Filmregisseur, der nach langer Auszeit einen Comebackversuch wagt. Doch den Film, der ihn zurückbringen soll, will er ausgerechnet im Haus seiner Familie drehen, die er vor vielen Jahren bereits verlassen hat. Dieser übergriffige Plan konfrontiert die beiden Töchter mit ihrer nie geklärten, schwierigen Beziehung zum Vater. Und so entwickelt sich an der Schnittstelle von Leben und (Film-)Kunst, Enttäuschung und Hoffnung ein komisches Drama der Spiegelungen und Projektionen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Exquisit gespielt und feinsinnig inszeniert und von mehr als einem Hauch von Bergman durchweht. (Sascha Rettig)
STOFF – Ein Spitzengeschäft
STOFF – Ein Spitzengeschäft folgt den verschlungenen Pfaden einer Textilgeschichte, die Nigeria und Österreich seit Jahrhunderten eng verwebt. So farbenfroh und vielschichtig wie die Stoffe selbst, porträtiert der zweiteilige Film extravagante Modeikonen und geschäftige Textilproduzent:innen und beschwört dabei die Geister, die in den verborgenen Nähten der Kolonialgeschichte lauern.
No Mercy
„Frauen machen die härteren Filme!“ Seit Kult-Regisseurin Kira Muratova der jungen Filmemacherin Isa Willinger am Beginn ihrer Filmkarriere diesen Gedanken mit auf den Weg gab, ließ der sie nicht mehr los. Wie kann das sein, wo doch „weiblich“ eher mit „empathisch“ und „gefühlvoll“ gleichgesetzt wird?
Nun begibt sich Willinger auf zu einer Reise zu den großen Regisseurinnen unserer Zeit. Sie trifft mit weltberühmten Regie-Ikonen, ebenso wie Newcomerinnen und radikalen Vordenkerinnen zusammen. Dabei wird klar, dass die Leinwand Projektionsfläche realer gesellschaftlicher Probleme und Machtverhältnisse ist. Die Frage, die NO MERCY stellt, geht tief: Wo stehen wir heute wirklich in punkto Frauen, Männer und Macht?
Sturm
Hannah Maynard, Anklägerin am Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, führt einen Prozess gegen Goran Duric, einen ehemaligen Befehlshaber der jugoslawischen Volksarmee. Ihm wird vorgeworfen, für die Deportation und die spätere Ermordung bosnisch-muslimischer Zivilisten in Kasmaj, einer Kleinstadt in der heutigen Republika Srpska, verantwortlich zu sein. Als sich ein wichtiger Augenzeuge bei seiner Aussage in Widersprüche verstrickt, schickt das Gericht eine Delegation nach Bosnien, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Die Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen erhärten sich, allem Anschein nach sagt er nicht die Wahrheit. Kurz darauf findet man seine Leiche; er hat sich in seinem Hotelzimmer das Leben genommen. Hannah gibt den Fall nicht verloren. In der Hoffnung, neue Erkenntnisse zu gewinnen, reist sie zur Beerdigung des Zeugen nach Sarajevo und trifft dort auf dessen Schwester Mira. Schon bald gewinnt Hannah den Eindruck, dass die junge Frau mehr über den Angeklagten zu sagen hat, als sie zunächst zugeben möchte. Obwohl Mira Angst hat, sich der Vergangenheit zu stellen und damit ihre ahnungslose Familie zu gefährden, liefert sie schließlich den entscheidenden Hinweis für Durics Verbrechen und erklärt sich bereit, ihre Aussage vor dem Tribunal in Den Haag zu wiederholen.
Melt
Im neuen Film von Nikolaus Geyrhalter tauchen wir ein in eine weiße Welt. Schnee und Eis, soweit das Auge reicht. Die Protagonist*innen sind Menschen, die tagtäglich von dieser Welt umgeben sind. Davon erzählt „Melt“ – und vom schleichenden Verschwinden dieser magischen Masse, dieses doch nicht so ewigen Eises.
Während im japanischen Tateyama Bulldozer beeindruckende sechzehn Meter hohe Schneewände erschaffen, um den Weg für die Tourist*innen freizuschaufeln, produziert man im Skiparadies Val-d’Isère ein aus Kunstschnee fabriziertes Wunderland. In der Schweiz ziehen Pistenraupen Furchen in die Gletscherlandschaft, um den Schnee bereits für die nächste Skisaison zu lagern, und in Island posieren Besucher*innen vor riesigen Eisblöcken, die langsam vom Meer verschluckt werden. Nach außen scheint alles perfekt, doch hinter der weißen Fassade beginnen das Eis und der Schnee zu schmelzen.
Filmemacher Nikolaus Geyrhalter reist quer über den Globus, vom größten Gletscher der Alpen in der Schweiz über Japan, Kanada, Österreich, Island bis hin zu einer Forschungsstation in der Antarktis. In weiten, ruhigen Einstellungen lässt er diese faszinierenden weißen Landschaften wirken und für sich selbst sprechen. Er nimmt die Rolle des Beobachters ein und holt dabei jene Menschen vor die Kamera, die mit den Herausforderungen, der Wucht und der Schönheit des Schnees konfrontiert sind.
Wo Geyrhalter hinkommt, erzählen seine Protagonist*innen vom Rückgang des Schnees, von schmelzenden Gletschern und zunehmenden Extremwetterlagen – davon, wie sie den Klimawandel bei der Arbeit und in ihrem Alltag zunehmend spüren. Nikolaus Geyrhalter macht Dokumentarfilme für die Zukunft. Mit „Melt“, gefilmt in den Jahren 2021 bis 2025, fängt er gewaltige Momentaufnahmen für die Archive von morgen ein und stellt damit die großen drängenden klimapolitischen Fragen.
„Nikolaus Geyrhalter findet in seinem jüngsten Werk opulente Bilder einer Welt aus Eis und Schnee und evoziert zugleich eine lebhafte Vorstellung von der bevorstehenden großen Schmelze.“ – Christoph Terhechte, DOK Leipzig ★★★★★
„In eindrucksvollen Bildern von schwindenden Schneelandschaften, Gletschern und künstlich erhaltenen Wintersportorten beobachtet Geyrhalter die globale Veränderung durch den Klimawandel.“ – film-rezensionen.de ★★★★★