entstand mit In The Crosswind ein außergewöhnlicher Film, der einen Zugang zur Geschichte sucht und ihn schließlich im Anhalten der Zeit findet.
Was bedeutet es, sich einem geschichtlichen Komplex dieser Art filmisch zu nähern, die Erfahrung der Deportation, der Ungewissheit, der Lager, der Gewalt, aber auch der Rückkehr, nicht nur zu visualisieren, sondern für die Zuschauer spürbar zu machen, darüber haben Mitglieder der Scope100 Jury mit Regisseur Martti Helde gesprochen.
Wir sind sehr froh, dass Ihr Film ausgewählt wurde, denn wir finden er berührt einen blinden Fleck in der Geschichte. Welchen Bezug haben Sie zu diesem Thema und was hat Sie dazu bewegt einen Film darüber zu machen?
Um am Anfang zu beginnen, mein Großvater war im Gefangenenlager und ich bin mit diesen Geschichten aufgewachsen. Als in Estland zum 70 jährigen Gedenken der Deportationen ein offener Wettbewerb ausgeschrieben wurde, hatte ich die verrückte Idee, dass wir einen Film machen sollten in dem sich niemand bewegt. Am Anfang war der Film jedoch als Dokumentarfilm geplant. Die Idee kam gut an aber man war der Meinung der Film solle als Spielfilm realisiert werden. Dann sind mein kreatives Team und ich in das Thema eingetaucht, in Archive gegangen und haben Überlebende interviewt. Wir haben alle Geschichten zusammengetragen. Es ist ein heikles Thema. In der Sowjetzeit war es ein offenes Geheimnis und als Anfang der 90er Jahre begonnen wurde darüber zu sprechen und zu schreiben, gab es kein Geld um Filme zu machen. Davor kam das ganze Geld für Filme aus Moskau. Es war wie ein Vakuum. Ich hatte die Distanz um die Geschichte erzählen zu können, jetzt wo Estland die Ressourcen hat. Es war ein bisschen Zufall und ein bisschen Glück.
Soweit Sie das beurteilen können, hat Ihr Film viele Menschen in Estland erreichen können? Und wie wurde er in Ihrer Heimat aufgenommen?
Zu Beginn war es wirklich seltsam. Man wusste über das Projekt bevor der Film fertig war und man wusste, dass etwas Verrücktes vor sich geht. Viele hatten Bedenken, aber nachdem der Film rauskam waren alle auf eine Weise froh. Besonders ältere Menschen kamen zu mir und sagten, dass der Film wirklich authentisch sei. Nach der Weltpremiere und einer recht erfolgreichen Tour um die Welt hatte man in Estland verstanden, dass es unser Film ist. Das ist sehr typisch estnisch (lacht). Wir sind wirklich langsam und erst wenn jemand anders sagt, dass etwas gut ist, ist es auch gut. Heute kennt jeder den Film und er hat seinen Platz in der estnischen Filmgeschichte gefunden.
Hatte man eher Angst bezüglich der stilistischen Besonderheiten oder bezüglich des Inhalts?
Beides, und man war anfangs vor allem besorgt, dass der Film zu politisch wäre, selbst wenn der Film für mich überhaupt nicht politisch ist. Ich sehe ihn als einen Liebes- oder einen Familienfilm. Aber man hatte auch Angst davor, was die Russen sagen würden.
Ihr Film scheint ein Film der Extreme zu sein. Es gibt einige Anspielungen auf die Gegensätze von Licht und Dunkelheit, Schwarz und Weiß. Woher kam die Motivation einen Film in schwarz-weiß zu machen?
Meine Idee war, dieser Film sollte wie ein Fotoalbum sein. Ich kann mein Publikum nicht dazu zwingen, diese Zeit in Farben zu sehen. Wir wollten ein 3D-Album kreieren, durch das man reist. Der andere Grund ist wirklich pragmatisch. Bei diesem geschichtlichen Thema war es äußerst schwierig authentische Kostüme zu finden. Wir wollten diesen Teil eliminieren, auch noch die richtige Farbe dieser auszuwählen. Selbst so war es hart, aber dann noch die richtigen Farben zu kombinieren, hätte die Kosten der Kostümausstattung verdoppelt. Das war ein praktischer Grund.
Transkription: Clara Podlesnigg. Das gesamte Interview lesen Sie in unserer aktuellen Stadtkino-Zeitung.