Keine Angst vor kurzen Filmen!
Das Kurzfilmfestival VIS – Vienna Independent Shorts zeigt in seiner 13. Ausgabe unter dem Motto Fear Is Not an Option in sieben Tagen knapp 350 Filme – darunter ausgezeichnete Arbeiten von Ben Russell, Mahdi Fleifel oder Réka Bucsi.
Gerade in Momenten der größten Verunsicherung wird man emotional. Die Vernunft versagt, die Angst gewinnt. Angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Stimmung ist das diesjährige Motto des Kurzfilmfestivals VIS Vienna Independent Shorts bewusst politisch gewählt: Unter dem Leitthema “Fear Is Not an Option” wird der Kinosaal zum furchtlosen Ort. Angst ist auch in noch so ungewissen Zeiten zwar eine hartnäckige Begleiterin, aber keine gute Ratgeberin – so zeigt es das größte Kurzfilmfestival des Landes in 346 internationalen und österreichischen Kurzfilmen, Animationen und Musikvideos.
Angst vor dem Fremden? Angst vor Veränderung? Angst vor Neuerungen? Gerade der Kurzfilm ist einerseits stark in der Gegenwart verankert, andererseits aber auch ein Vorreiter für die Entwicklungen des Kinos – und auch für die Entwicklungen unserer Gesellschaft. Gerade der Film im Allgemeinen und Filmfestivals im Besonderen scheinen dazu geeignet, der Emotion und der Diskussion einen fruchtbaren Rahmen zu geben. Nicht zuletzt in gemeinsamen Filmprogrammen mit den beiden Partnerfestivals aus Kanada (Festival du nouveau cinéma in Montréal) und den Niederlanden (Go Short in Nijmegen) geht VIS der Frage nach, was Angst denn eigentlich ist und wie man ihr begegnen kann.
Neben den sieben kuratierten Programmen im Rahmen dieses Schwerpunkts zeigen insbesondere die vier Wettbewerbskategorien ein konzentriertes Bild des aktuellen Kurzfilms. Im internationalen Wettbewerb für Kurzspiel- und Dokumentarfilme (Fiction & Documentary) sind in sechs Programmen 28 Filme zu sehen. Hier präsentiert sich u.a. das neueste Werk des vielfach ausgezeichneten US-Regisseurs Ben Russell (He Who Eats Children) und der politisch hoch aktuelle Flüchtlingsfilm Estate vom italienischen Regisseur Ronny Trocker, der das diesjährige Motto des Festivals treffend bebildert. Auch bereits mit Ehrungen bedachte Kurzfilme sind in der Selektion vertreten, beispielsweise der auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären prämierte Dokumentarfilm A Man Returned des afghanischen Regisseurs Mahdi Fleifel über die Ausweglosigkeit in einem riesigen libanesischen Flüchtlingscamp oder der für den Europäischen Filmpreis 2016 nominierte Animationsfilm Edmond, eine schwarze Komödie von Nina Gantz mit bitterem britischen Humor.
Im zweiten internationalen Wettbewerb Animation Avantgarde zeigt sich hingegen neuerlich die größtmögliche Bandbreite des filmischen Formats. In drei Programmen sammeln sich 40 experimentelle und animierte Arbeiten aus 18 verschiedenen Ländern. Jenseits des gängigen Mainstreams treffen hier Computeranimationen, wie vom erfolgreichen rumänischen Mihai Grecu (The Reflection of Power), auf Zeichentrickfilme, Objektanimationen, Machinimas oder digitale Found-Footage-Projekte. Mit dabei sind auch das ungarische Nachwuchstalent Réka Bucsi, die ihr ausgezeichnetes Werk LOVE als diesjährige Artist in Residence persönlich vorstellen wird, oder der Vorjahresgewinner Rainer Kohlberger mit seinem neuen Experimental-Werk Not Even Nothing Can Be Free Of Ghosts.
Im Österreich Wettbewerb wiederum stehen sich in drei Programmen bekannte Namen und Newcomer gegenüber. Mit dabei sind in diesem Jahr auch die prämierten RegisseurInnen vergangener Jahre wie Sebastian Brameshuber (In, Over & Out), Christoph Schwarz (Ibiza) oder Christiana Perschon (Ghost Copy) mit ihren neuen Filmen. Die Kategorie wird mit dem Hauptpreis von 5.000,- Euro versehen – und erstmals haben die besten fiktionalen und animierten Arbeiten auch die Möglichkeit, sich direkt für die Oscars® zu qualifizieren. VIS ist seit heuer das einzige Academy Qualifying Festival des Landes.
Neben den Wettbewerbsprogrammen versprechen nicht zuletzt die populären Midnight Movies regen Festivalbetrieb im Stadtkino im Künstlerhaus. In drei Spätabendvorstellungen locken die Programme Très Chic, PopPorn und Nightmares mit Absurdem, Erotischem und Erschreckendem in den Kinosaal. Außerdem führt einmal mehr der österreichische Schauspieler Michael Ostrowski durch den Galaabend der Night of the Light – dem Kurzfilmwettbewerb, bei dem dreiminütige Kurzfilme zum diesjährigen Thema „Power to the People“ ihre Uraufführung feiern. Daneben wartet das Festival mit dem schönen Lunchfilm-Projekt von Mike Plante, Senior Programmer von Sundance, auf sowie mit zwei Länderspecials zu Bosnien und Kolumbien, einem Tribute zum 70er von US-Animationshero Bill Plympton und einer Personale zur belgischen Künstlerin Anouk De Clercq. Ihrem Film Building ist auch das Sujet des diesjährigen Festivals entnommen, das als politischer ebenso wie künstlerischer Appell verstanden werden darf: Fear Is Not an Option.
Foto (c) VIS, Karl Valent