Mirjam UngerÖsterreich 2007 / 87 min
Sie haben Wien verloren und Wien hat sie verloren: Acht Frauen, als Kinder 1938 aus Wien geflohen, leben heute in New York. Szenisch umkreist der Film das Unaussprechliche am Verlust selbst und den Versuch „Normalität“ zu schaffen. Was ist verloren, was geblieben, wie manifestiert sich Erinnerung über Generationen hinweg?
Wiens verlorene Töchter hat New York gewonnen: Acht jüdische Frauen im Alter von über 80 Jahren stehen im Mittelpunkt von Mirjam Ungers Dokumentarfilm „Vienna’s Lost Daughters“, als junge Mädchen sind sie vor den Nazis aus Wien geflüchtet – eine traumatische Erfahrung, die ihr ambivalentes Verhältnis zur einstigen Heimatstadt hinreichlich erklärt. Unger befragt ihre Protagonistinnen nach den Erinnerungen an die damalige Zeit, vermittelt werden sie dann nicht allein sprachlich und über verschiedene Objekte, sondern immer wieder über Musik – Operetten- und Wienerlieder oder Opernarien –, in der die glückliche Kindheit und der Terror von Verfolgung und Hetze gleichermaßen aufgehoben sind. In „Vienna’s Lost Daughters“ geht es allerdings nicht ausschließlich darum, die Lebenswege der Emigrantinnen nachzuzeichnen. Die Zeit des Nationalsozialismus, die Erfahrungen der Flucht, die Ankunft in einem neuen Leben streift der Film nur ausschnitthaft, um das Vergangene an den Bedingungen der Gegenwart zu überprüfen. So setzt der Film schon mit den Lichtern des Times Square ein, ist bald bei Alltagsszenen wie einem Friseurbesuch, um schließlich Schritt für Schritt zum Porträt einer lebendigen jüdischen Community zu werden, in dem der Familie und dem Austausch unter den Generationen besonderer Stellenwert zukommt. Wien bleibt dabei nicht nur über gut gehütete Sachertortenrezepte präsent, sondern vor allem über die sprachliche Färbung: Die Vergangenheit ist integraler Bestandteil dieser so erstaunlich unbeschwerten Milieubeschreibung und die Gegenwart darin das Maß für ein geglücktes Leben. (Dominik Kamalzadeh)
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