Martin ArnoldÖsterreich 2010 / 5 min
Stockend geht die Irisblende aus dem Schwarz auf, dahinter eine lachende Micky Maus, Freund Pluto hat den Arm um sie gelegt. Die letzten Sequenzen eines Happy-Ends laufen retour, Martin Arnold deanimiert die Animation. Er seziert die Szene, dehnt sie im für ihn typischen Rhythmus, löscht Teile und setzt das ganze Bild in die Schwärze.
Im Original sitzen die beiden Cartoonfiguren glücklich vertraut im Bett. In Shadow Cuts wird der Optimismus des kollektiven Blicks auf das fröhliche Ende des Films in vielerlei Hinsicht entlarvt. Der andauernde Flickereffekt führt vor, dass unser unbewusstes Sehen unterbrochen wird vom Lidschlag, von Phasen der Blindheit. Übersteigert wird dieser Effekt hier zu einer physiologischen Grenzerfahrung im Stroboskop-Gewitter. Aber nicht nur die Zuseher drohen zu erblinden, sondern auch das fröhliche Paar. Seine Augenlider bleiben manchmal stecken, bisweilen sind die Augen schwarz und leer – geblendet wie im antiken Mythos – dann wieder lösen sie sich von den Figuren ab und blitzen herrenlos im Dunkel des Kinos auf. Sie scheinen ein Eigenleben zu führen.
Die Geschöpfe des familientauglichen Trickfilms sind fragmentiert und ihrer Geschichte beraubt. Rasch zerfällt das ursprüngliche Szenario: Das Lachen bleibt Micky im Halse stecken, die Zunge zittert gefährlich; der Hund nimmt eine devote Haltung ein, als wäre er erschöpft. Dann rafft er sich wieder auf für den unbarmherzigen Tanz des Sehens und Nicht-Sehens, des einander Zu-Sehens und Über-Sehens, zu einer gemeinsamen Heiterkeit, die in einer Schleife gefangen ist, bis sich die Irisblende barmherzig wieder schließt und dem Geschehen ein Ende macht.
(Brigitta Burger-Utzer)
Shadow Cuts (2010) betrachtet das Happy-End einer Cartoon-
Sequenz im Rücklauf. „Wenn sich eine Maus in einen Hund verschaut, kann einiges geschehen“: Im flimmernden und schwarz flackernden Bild beginnen sich die Augen allmählich von dem lachenden Mickey und seinem Weggefährten Pluto zu lösen. Manchmal verschwinden sie zur Gänze. Den temporär erblindeten Figuren auf der Leinwand stehen temporär erblindete BetrachterInnen gegenüber. Auch ihnen zerbricht die Wahrnehmung in den Dunkelphasen der Projektion.
(Martin Arnold)
