Michael PalmÖsterreich 2011 / 95 min
Wo wir gehen und stehen, werden wir angesehen: In einer Gesellschaft, die Öffentlichkeit primär als Ort von Risiken denkt, hängt von ständiger Beobachtung nahezu alles ab. Deswegen kann man heute in den Innenstädten der entwickelten Länder in kein Sandwich mehr beißen (oder gar einen Koffer herumtragen), ohne dass dies von Kameras aufgezeichnet und von Rasterprogrammen decodiert würde.
Den Umstand, dass Risikoprävention und Sicherheit "der politische Alleskleber" geworden sind, nimmt Michael Palm zum Anlass, mit seinem Film Low Definition Control über die Implikationen der zunehmenden Technisierung der Wahrnehmung im öffentlichen Raum und in der Medizin nachzudenken. Er tut dies, indem er zu immer wieder durch Überhöhung verfremdeten Alltagsszenen eine Theorie in Fragmenten ergänzt. Aus dem Off sind die Stimmen von Wissenschaftlern und Intellektuellen aus allen möglichen Disziplinen (von der Neurologie über die Medienwissenschaft bis zur Theologie) zu hören, die darüber debattieren, was durch den zunehmenden "Panoptismus" und den gesellschaftlichen Verlust der Unschuldsvermutung am Horizont der Geschichte sichtbar wird: eine "völlige Evakuation des Realen" und eine Auflösung "der Figur des Menschen in seiner Naturalität".
Low Definition Control ist Science Fiction im buchstäblichen Sinn des Wortes - eine visionäre Vorwegnahme von längst im Gange befindlichen biopolitisch-gouvernementalen Prozessen, in denen die Technik sich in das Verhalten der Menschen so einschreibt, dass nach einer Disziplinar- und einer Kontrollgesellschaft irgendwann eine Gesellschaft körperloser, berechenbarer Schnittstellensubjekte treten könnte.
Bert Rebhandl