Gerhard Benedikt FriedlDeutschland, Österreich 2004 / 73 min
Hatte "Knittelfeld - Stadt ohne Geschichte Geschichte" als Ereignisrauschen infamen Lebens protokolliert, so zeigt Friedls erster abendfüllender Film uns nun globales Kapital in seinem Rauschen und seinen Räuschen, seiner Infamie und Delinquenz. Global ist Kapital als allumfassende Beziehung zwischen Orten, Personen, Objekten, Bildern, Worten, die immer auch Nicht-Beziehung ist, "audiovisueller Riss" zwischen dem aus dem Off pedantisch Gesagten und dem im Bild ungerührt Abgeschwenkten.
BRD-Geschichte mit Thyssen und Flick, mit erfunden klingenden wirtschaftsdynastischen Namen, Tics, Tricks und Vertracktheiten, wird nicht als Fama, ruhmreiche Erfolgsstory, gerahmt, auch nicht "erklärt", sondern: Kapital bleibt infam, ohne Geschichte und himmelschreiend. Wirtschaften ist Verstrickung und das Delikt nicht prinzipiell getrennt vom Erfolg. Von dieser Ununterscheidbarkeit aus setzt Friedl auf unsere Paranoia (in jedem Bild suchen wir, was dem Gesagten entsprechen könnte) und darauf, dass ein "Schwinden" erfahrbar wird - das des Films in der Zeit wie das der Herrschaft in der Geschichte. Nichts schwindet ganz: Es spukt, Gedächtnis bildet sich. Im Erfahren des Films hält sich manches wie tiefgekühlt für spätere Verknüpfungen. Wir erfahren vom Erfolg eines Puddingimperiums mit dem Buch "Backen macht Freude" und dass "Rudolf August Oetkers Wahlspruch 'Freiheit ist Arbeit' lautet". Oder war es "Kraft durch Freude" und "Arbeit macht frei"?
Mitunter wird der Riss im Audiovisuellen so eng, dass Sichtbares und Gesagtes sich einen obszönen Moment lang decken. Ansonsten streifen, verpassen oder kommentieren Schwenks und Stimme einander so, dass drei Werkbänke wie drei Büsten aussehen, das Graffito Fuck wie Flick und das Glücksspielparadies Monaco wie ein Historyland freien Unternehmertums.
(Drehli Robnik)
PRESSESTIMMEN
"Die entscheidende Qualität des mit dem Arte-Preis ausgezeichneten Films aber liegt in einer Bildsprache, die sich dem normativen Druck des Konventionellen, das vielen Beiträgen innewohnt, widersetzt ..."
(Schnitt, Januar 2005)
"Der Titel des Langfilmdebüts von Gerhard Friedl, der großen Entdeckung dieser DIAGONALE, verblüfft zunächst, erweist sich aber als kongenial [...] Der scheinbar allwissende Kommentar, voller penibel recherchierter Fakten, Zahlen und absurd langer Finanzadels-Namen, wird zunehmend verdächtig: Im Wust an Details, wo erschütternde Ereignisse und skurrile Marotten gleich gewichtet sind, ist keine Übersicht zu bewahren. Friedls hypnotisches Vexierspiel thematisiert eine Darstellbarkeis-Krise - wie sich den undurchdringlichen, uferlosen Zusammenhängen moderner Ökonomie nähern? Die Titel-Frage erweist sich als eigentlich unbeantwortbar [...]"(Presse, 21.03.05)
"Die Ausmaße moderner Ökonomien sind zu total, als dass sie sich in einer Ordnung der Bilder wiedergeben ließen [...] Gerhard Friedls HAT WOLFF VON AMERONGEN KONKURSDELIKTE BEGANGEN? ist dieses Dilemma bewusst, mehr noch, er macht es zu seinem eigentlichen Thema [...] Friedl montiert die Aufnahmen allerdings mit einer tückischen Referenzialität zum Kommentar, sodass sie Sinn stiften: Unweigerlich findet man Entsprechungen, unabsichtlich wird man zum Opfer seiner Erkenntnislust."
(Der Standard, März 2005)
"Friedl, dessen Kurzfilm "Knittelfeld - Stadt ohne Geschichte" 1997 Ähnliches in viel kleinerem Rahmen leistete, sprengt mit seiner ersten abendfüllenden Arbeit nun erneut die Kategorien von Dokumentarismus und Fiktion."
(Profil, März 2005)
"Das Genre hat sich, was Kühnheit und Erfindungsreichtum angeht, in den Vordergrund gespielt. HAT WOLFF VON AMERONGEN KONKURSDELIKTE BEGANGEN, fragt einer der avanciertesten Filme auf dem Festival, von Gerhard Friedl - ein Krimi über das Wirtschaftsverbrecherland BRD, in dem die unglaublichsten Fakten mit den alltäglichsten Bildern bundesdeutscher Wirklichkeit sich begegnen."
(Süddeutsche Zeitung, 06.05.05)