The Pickers – Bittere Früchte
Frisches Obst und Gemüse das ganze Jahr über – für viele eine Selbstverständlichkeit. Doch wer erntet die Früchte, die täglich in unseren Einkaufskörben landen? „The Pickers“ beleuchtet die oft unsichtbaren Arbeitskräfte hinter Europas Agrarindustrie: eine Million Wanderarbeiter:innen, die unter prekären Bedingungen in Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Deutschland, Österreich und in anderen Ländern Felder bestellen. Ohne feste Arbeitsverträge, oft ohne Papiere und jegliche soziale Absicherung, sind sie der systematischen Ausbeutung schutzlos ausgeliefert. Ihr harter Alltag, gezeichnet von Hungerlohn, menschenunwürdigen Unterkünften und extremen Arbeitsbedingungen, ist kein Einzelfall – er ist die Regel in einem System, das von der Nachfrage nach immer billigeren Lebensmitteln getrieben wird.
Der Film geht jedoch über die bloße Anklage hinaus. Er dokumentiert auch den politischen Kampf um ein europaweites Lieferkettengesetz, das Supermärkte stärker in die Verantwortung nehmen soll, und zeigt, dass Alternativen möglich sind: Eine Kooperative in Süditalien beweist, dass faire Produktion und menschenwürdige Arbeitsbedingungen möglich sind.
„The Pickers“ gibt denjenigen eine Stimme, die oft übersehen werden, und stellt drängende Fragen: Was können Konsument:innen tun? Und welchen Preis sind wir bereit, für unseren Lebensstandard zu zahlen?
Mit Filmvermittlungsangebot durch die Pädagogische Hochschule Wien
Zum Auftakt eine Archivaufnahme von einem Kinosaal: „Ich bin fremd hier. Ich bin Aus-län-der“, spricht ein grinsender Herr von der Leinwand. Im Auditorium werden seine Worte wiederholt. Filmvorführungen wie diese dienten als Sprach-Crashkurse für die tausenden türkischen Arbeitskräfte, die nach dem Anwerbeabkommen von 1964 nach Österreich eingeladen wurden. Aus der kurzen Periode im Ausland wurden Jahrzehnte des (mehr oder weniger unterstützten) Heimisch-Werdens. In „Gurbet“ berichten neun Menschen aus dieser ersten Generation der Arbeitsmigration eloquent vom Leben auf der „schnurlosen Schaukel“ zwischen Türkei und Österreich. Die Rede kommt auf Erwartungen, Verstörungen, Verwundungen und Siege, auf Isolation durch die österreichische Mehrheitsbevölkerung wie das türkische Konsulat, und den Mangel an Melanzani in Wien. Der politischen Diagnose, etwa in punkto Wahlrecht, ist auch 16 Jahre später wenig hinzuzufügen: „Wer vierzig Jahre lang ,Gast‘ zu einem sagt, muss verrückt sein.“ (Joachim Schätz)
Dokumentation, A 2008, 93‘, DF und Türkisch mit Untertiteln
In Anwesenheit des Regisseurs Kenan Kılıç
Einen Beruf zu erlernen bedeutet mehr als Können zu erwerben – ist Teilnehmen, Dazugehören, bedeutet zu werden, wer wir sind. „10 Jahre“ begleitet vier junge Erwachsene und erzählt, wie der Beruf ihrem Leben Struktur gibt. Gut ausgebildet und doch blutige Anfänger*innen machen sie sich auf den Weg, noch sind die Herausforderungen unbekannt, die dem Bäcker, der Volksschullehrerin, der Medizinerin, dem Dirigenten begegnen werden. Lernen aus Erfahrung (über-)fordert, ermöglicht Wachstum, erzwingt Entscheidungen. Miss-/Erfolge: was sie zum Lernen beigetragen wird sich immer erst zeigen. Und niemand geht den Weg allein, da sind Kolleg*innen, Kund*innen, Patient*innen, Schulkinder, die Orchestermusiker*innen, die Eltern tauchen auf, die großen Lieben, die eigenen Kinder. Szenen aus dem Beruf wechseln mit Interviewpassagen, erzählen 10 Jahre wie im Flug: zurück bleibt eine tiefe Sympathie für die Protagonist*innen und eine neue Perspektive darauf, was es heißt, einen Beruf zu ergreifen und sich von diesem ergreifen zu lassen. (Günter Hefler)
Österreichpremiere
Momentaufnahme einer Automobilindustrie, in der sich wirtschaftliche und gesellschaftliche Krisen bündeln: Sedanur und Eva arbeiten nicht für Audi, sondern für Dienstleister, die für Audi arbeiten. Die eine ist als Leiharbeiterin in der Logistik im Einsatz, die andere sucht als Headhunterin Fachkräfte, die dieselbe Logistik weiter automatisieren sollen. Ihren Job kosten Sedanur dann aber die Auswirkungen des Abgasskandals. „Automotive“ fragt nach dem aktuellen Status von Arbeit für Lebensentwurf und Selbstverständnis, indem er das pointierte Doppelportrait der beiden Frauen versetzt mit historischen Archivaufnahmen, Seitenblicken zu vollautomatisierten Smart Factories und einer Nebenhandlung über den langen Atem gewerkschaftlichen Handelns. Während die Personalberaterin den Beruf gern Berufung sein lassen und sich Richtung Karibik vertschüssen würde, gehört für die Leiharbeiterin eine fixe Stelle mit Option auf Staplerschein schon ins Reich der Wünsche. (Joachim Schätz)
Wienpremiere
Vormittagsvorstellung mit anschließendem Filmvermittlungsangebot durch normale.at
Abendvorstellung mit Podiumsdiskussion „Soziale Klasse und Film“ (Moderation: Christoph A. Büttner)
„Keine Ahnung, wie mein Leben mit einem anderen Beruf verlaufen wäre. Aber mittlerweile ist der Bergbau ein Teil von mir“, Trans* Frau Martina ist die einzige Frau, die je im deutschen Steinkohlebergbau unter Tage gearbeitet hat. Als sich die Stilllegung abzeichnet, wechselt sie in ein Salzbergwerk. Ihre früheren Kumpel Locke und Langer fahren ihre letzte Schicht – Gesichter geschwärzt vom Kohlestaub, ein letztes Mal duschen, den Rücken des Kollegen schrubben, bevor sie Abschied nehmen von einer Ära und voneinander. Der Film begleitet sie beim Übergang in eine ungewisse Zukunft: neue Berufe, neue Wege. Eine visuell beeindruckende, dokumentarische Erzählung über den Abschied, die tiefe Verbundenheit unter Tage und die Herausforderung, ein neues Leben aufzubauen.
Eine Empfehlung für all jene, die sich fragen: Was bedeutet die grüne Transformation für diejenigen, deren Jobs verschwinden und die sich neu orientieren müssen? Wo gehen mit der Energiewende auch Identität und Solidarität verloren? (Jörg Markowitsch)
Österreichpremiere
Arbeiter verlassen die Fabrik + Zum Vergleich
Harun Farocki – er lehrte auch mehrere Jahre in Wien – hat wie kaum ein anderer Film als analytisches Werkzeug zur Sezierung von Arbeits- und Produktionsverhältnissen eingesetzt. In „Arbeiter verlassen die Fabrik“ (1995) nimmt er 100 Jahre nach der Geburtsstunde des Kinos den Topos der Brüder Lumière auf und montiert Aufnahmen von Arbeitern, die Werkstore verlassen (oder davor demonstrieren), zu einem kurzweiligen Essayfilm. Aus dem Off reflektiert er über Macht und Überwachung, das Fabriktor vs. das Gefängnistor.
In „Zum Vergleich“ (2009) ist die Versuchsanordnung genauso simpel wie bildlich verführerisch: Wie werden Ziegelsteine in verschiedenen Teilen der Welt, in Indien, Afrika oder auch Niederösterreich, produziert? Farocki bietet dabei lediglich das Filmmaterial – sowie einige Zwischentitel – an. Der Akt des Vergleichens zwischen vor-, früh- und hochindustrieller Produktionsgesellschaft und das Ziehen von Schlüsse in Bezug auf Arbeitsteilung, Wohlstand und Gemeinschaft obliegen den Zuschauer:innen. (Jörg Markowitsch)
Mit einer Einführung von Christoph A. Büttner
Schon als Kind war Yazid (Marwan Amesker als Junge, Riadh Belaïch als junger Erwachsener) von der Welt der Patisserie fasziniert. In einer Kindheit voller Umbrüche, von Pflegefamilien bis zum Heim, bleibt das Backen seine einzige Konstante. Doch sein Traum geht weit über einfache Süßspeisen hinaus – er will an die Spitze seines Metiers und die Weltmeisterschaft der Konditoren gewinnen.
Der Weg dorthin ist steinig: In den besten Küchen Frankreichs muss er sich gegen strenge Küchenchefs, harte Konkurrenz und seine eigene schwierige Vergangenheit behaupten. Doch mit unermüdlichem Ehrgeiz, Talent und einer dicken Haut trotzt er allen Widerständen. Seine Leidenschaft für Desserts treibt ihn an, und bald schon beeindruckt er nicht nur die Spitzenköche, sondern auch ein weltweites Publikum.
„Sterne zum Dessert“ erzählt die inspirierende Lebensgeschichte des renommierten Patissiers Yazid Ichemrahen, der 2014 zum Weltmeister des Eisdesserts gekürt wurde. In der Hauptrolle brilliert der französische Comedian und Influencer Riadh Belaïch, der Yazids Kampfgeist und Kreativität eindrucksvoll auf die Leinwand bringt.
DIE FRAU IM NEBEL (Decision to Leave)
Alles beginnt wie ein Krimi. Der erfahrene Polizist Chang ermittelt im Fall eines Bergsteigers, der von einem Fels in den Tod gestürzt ist. Erst scheint alles wie ein Unfall, doch bald gerät die hübsche Frau des Toten, die Chinesin Song Seo-rae, in den Fokus des Ermittlers. Schnell werden dann professionelle Grenzen überschritten.
DIE FRAU IM NEBEL – DECISION TO LEAVE sei eine Liebesgeschichte über zwei Personen, die sich nie “Ich liebe dich” sagen, erklärte Co-Drehbuchautorin Jeong Seo-kyeong. Sie fasst damit das Zusammenspiel der beiden Hauptfiguren perfekt zusammen. Ihre Beziehung ist geprägt von Sehnsucht, Misstrauen und Dingen, die sie sich nicht zu sagen wagen.
Der südkoreanische Regisseur Park Chan-wook (“Old Boy”), der das Script mitgeschrieben hat, begibt sich auf filmhistorisch vertrautes Terrain: Verbotene Beziehungen zwischen Ermittler und Femme fatale gehören zum Standard-Baukasten des klassischen Noir-Kinos. Dennoch wirkt DIE FRAU IM NEBEL – DECISION TO LEAVE jederzeit frisch und außergewöhnlich. Auch, weil der Filmemacher die Drama-Aspekte stärker in den Fokus rückt. Je länger die Laufzeit, desto stärker die unausgesprochene Liebe. Schüchterne Blicke, ein zögerliches Abdrehen, Warten auf Textnachrichten: Publikum und Ermittler befinden sich in der Zwickmühle. Schuld und Unschuld gehen fließend ineinander über. Wollen wir dieser Beziehung eine Chance geben?
Basierend auf den gleichnamigen Comicbüchern, erzählt die gebürtige Iranerin Marjane Satrapi ihre autofiktive Lebensgeschichte. Sie handelt von ihrer Heimat, den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens und dem Aufeinaderprallen unterschiedlicher Kulturen. Eine unkonventionelle Verfilmung eines zeitgenössischen Comics, die durch ihre räumliche und inhaltliche Tiefe an Bedeutung gewinnt.
Marjane ist acht Jahre alt, als die Mullahs den Schah aus Persien vertreiben und die Macht übernehmen. Die Welt ist auf einmal eine andere, aber das rebellische Mädchen denkt gar nicht daran, sich den neuen strengen Regeln zu unterwerfen. Viel lieber entdeckt sie den Punk, ABBA, Iron Maiden und natürlich Jungs. Sie ahnt nicht, dass ihr spielerischer Protest gefährlich ist … nicht nur für sie selbst, sondern auch für ihre Familie. Ein unkonventioneller, spannender und zutiefst menschlicher Zeichentrickfilm für Erwachsene.
PERSEPOLIS erzählt eine der bewegendsten Geschichten unserer Zeit voller Hoffnung, Lebensfreude und Leidenschaft.
„Marjane Satrapi ist Hauptfigur, Regisseurin und Zeichnerin der gleichnamigen Comic-Vorlage.‘Marji’ wird 1969 im Iran geboren und wächst dort inmitten der kriegerischen Revolte gegenden Schah auf, die nur erneut durch eine fundamentalistische Gewaltherrschaft abgelöst wird. In kindlich-träumerischen und schwarz/weiß-sachlichen Bildern zeichnet Satrapi ihre eigeneGeschichte als Geschichte des Irans zwischen politischer Desillusionierung und hoffnungsvollem Aufbegehren nach. Als die Gewalt vor Ort ausufert, wird Marji von ihren Eltern nach Wien auf eine internationale Schule geschickt. Die dokumentarische Coming-of-Age Geschichte fragt danach, was Revolution in einer globalen Welt bedeuten kann und welche Rolle wir jeweils darin spielen können.“ (Text: Kino & Krawall)
Michel in der Suppenschüssel
Eigentlich will Michel ja gar nichts anstellen, aber was er auch tut, es wird immer ein Streich daraus. Zum Beispiel, wenn er in der Küche eine Ratte fangen will – dann gerät bestimmt Vaters Zeh in die Falle. Oder die Sache mit der Suppenschüssel, aus der Michel nur mal eben den letzten Rest lecken will – schwupps, schon hängt er fest und muss mit der Schüssel auf dem Kopf zum Arzt.